15. SR 12.10.2020, TOP 11, 12, 13 – Nachbereitung der Vergabebeschlüsse zur Rathaussanierung

Sehr geehrte Frau Lüke, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Mehrheit von Ihnen hat in der Stadtratssitzung am 12.10.2020 unter TOP 11, 12 und 13 Beschlüsse über die Beauftragung von Maßnahmen zur Rathaussanierung gefasst. Frau Lüke hatte sich unermüdlich für die Fördermittel eingesetzt und all ihr diesbezügliches Wissen und ihre Erfahrung aufgeboten. Dem gilt meine Anerkennung!

Bedauerlicherweise fehlten bei Beschlussfassung jedoch:

  1. Förderbescheid für die notwendige Finanzierung des Vorhabens (ca. 90% der Gesamtkosten)
  2. Beschluss über einen Nachtragshaushalt für die Eigenmittel der Stadt (Bereitstellung der aus der Kostenerhöhung von 4,4 auf 4,8 Mio. EUR resultierenden Mehrkosten)
  3. Aussagefähigen Unterlagen, die dem Stadtrat eine sachgerechte Einschätzung der terminlichen und kostenseitigen Situation ermöglichen (Bauablaufplan, Vergabeterminplan, Kostenverfolgungstabelle derzeit unvollständig und nicht aussagefähig)

Der Stadtrat wurde nicht informiert über die Erwartung der Verwaltung, dass derzeit angesichts der „Corona“-bedingten Verzögerungen nicht sicher eingeschätzt werden kann, ob bis zum 01.06.2021 ein neuer Haushaltsplan 2021 bereits genehmigt vorliegen wird (vgl. VA vom 29.9.2020 Beschlussvorlage VII/2020/0175) und die Auswirkungen für die Rathaussanierung. Daher die Bitte, den Stadtrat zu informieren, ob und bis zu welcher Höhe weitere Beauftragungen in 2021 auch ohne genehmigten Haushaltsplan möglich sind. Der aktuelle Haushaltsplan 2020 sieht für die Rathaussanierung keine Verpflichtungsermächtigung o.ä. vor, um auch ohne bestätigten Haushaltsplan 2021 investive Maßnahmen durchführen zu können.

Keine Beachtung fanden evtl. Auswirkungen erheblich geringerer Steuereinnahmen wegen „Corona“ (vgl. Steuerschätzung des SFM vom 11.09.2020) auf die Verfügbarkeit der Eigenmittel und Finanzierbarkeit evtl. Kostensteigerungen.

Die Unterlagen für den Verwaltungsausschuss am 27.10.2020 enthalten unter TOP 12 nun die „Förderrechtliche Beurteilung und Kostenfestsetzung“ der SAB vom 12. Oktober (Tag der Stadtratssitzung). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zur Erhöhung der Eigenmittel auf mehr als das Doppelte – von 284.256,18 EUR auf 616.937,76 EUR (+ 332.681,58 EUR = +117%).

Das ist meines Erachtens jetzt der Zeitpunkt innezuhalten, die Gesamtsituation zu betrachten und sich klar zu machen, wo man steht, die Risiken zu beurteilen und erst dann zu entscheiden – keinesfalls jedoch vor dem Vorliegen des/der verbindlichen Förderbescheid(e). Ohne Förderbescheid zu beginnen (Verträge abzuschließen), würde vermutlich auch ohne „Corona“ die Förderung verwirken?!

Die „Förderrechtliche Beurteilung und Kostenfestsetzung“ der SAB vom 12. Oktober sollte der ganze Stadtrat zeitnah erhalten. Bitte informieren Sie den Stadtrat auch, welche Unterlagen mit welchen „Überraschungen“ die Verwaltung evtl. noch erwartet.

Fazit:  
Zu beginnen ohne verbindliche(n) Förderbescheid(e), aussagefähige Kostenverfolgungstabelle, Nachtragshaushalt über die Kostenerhöhung und die Gewissheit, dass auch bei erheblichen Steuermindereinnahmen die Gesamtfinanzierung gesichert bleibt, erscheint mir fahrlässig. Es wäre fatal, käme das Vorhaben über Baustelleneinrichtung, Gerüstbau und Teilabbruch nicht hinaus!
Eventuell überdenken Sie die Gesamtsituation und prüfen vorsorglich noch einmal die Risiken, die Beschlüsse und das Vorgehen. Eventuell zieht die Verwaltung auch in Betracht, trotz Vorliegen der Ratsbeschlüsse die Verträge für die Baumaßnahmen erst nach Vorliegen der rechtsverbindlichen Förderbescheide sowie aller weiteren genannten Unterlagen zu schließen.
Sobald die Unterlagen (Bauablauf- und Vergabeterminplan, Kostenverfolgungstabelle, verbindliche(r) Förderbescheid(e)) vorliegen, bitte ich darum, diese dem Stadtrat zur Verfügung zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Frank Hannawald, 20.10.2020

Anmerkung:
Bürgermeisterin und Verwaltung beriefen sich bei der Beschlussfassung auf den Haushaltsplan von 2020 einschließlich Finanzplanung bis 2023. Abweichend davon sind Stadtrat, Bürgermeisterin und Verwaltung jedoch mit folgender aktuellen Situation/Realität konfrontiert:

Die jüngste Kostenberechnung für das Rathaus ergab eine weitere Kostensteigerung um 659 T€, die überwiegend aus Eigenmitteln der Stadt zu finanzieren ist. Die Tag-aktuelle Veröffentlichung der Steuerschätzung des Sächsischen Finanzministeriums vom 12.10.2020 ergab gegenüber dem Plan für die kommenden Jahre auf Gemeindeebene ein durchschnittliches Minus von 400 T€ bei den Schlüsselzuweisungen.

Wie sich später herausstellte, hatte die Stadtverwaltung ebenfalls am 12.10.2020 rechtzeitig vor der Sitzung tagaktuell eine Vorab-Information vom SSG erhalten über die Corona-bedingten Mindereinnahmen bei den Schlüsselzuweisungen konkret für Pulsnitz über 350 T€. Diese Information enthielt Frau Lüke dem Stadtrat jedoch vor – selbst noch nach unserem Hinweis zur bereits veröffentlichten Steuerschätzung des SFM!

Fazit:
Die Stadt hat gegenüber dem Finanzplan 2020 Mindereinnahmen in Höhe von 400 (350) T€ sowie Mehrkosten in Höhe von 659 T€ – in Summe mehr als 1 Mio. Euro auszugleichen. Zwischen Plan und Realität klafft also eine Differenz von mehr als 1 Mio. Euro – der Finanzplan 2020 war also nicht mehr anwendbar. Daher war zu prüfen, ob die Gesamtfinanzierung der Rathaussanierung noch gesichert ist, ob die Stadt diese Differenz ausgleichen kann – unter welchen Prämissen und mit welchen Konsequenzen. Darüber wäre der Stadtrat zu informieren gewesen. Und es wäre parallel bereits jetzt Einsparpotential bei den Sanierungskosten zu ermitteln gewesen.

All das erfordert u.E. keine verwaltungsrechtlichen Kenntnisse – der gesunde Hausverstand genügt für diese Überlegungen und die allgemeine Sorgfaltspflicht erfordert es. All das unterblieb jedoch. Der Stadtrat hat mit den Vergaben beschlossen, das Vorhaben faktisch „ins Blaue“ zu beginnen, ohne sich ein Bild zu machen, ob das Vorhaben unter den geänderten aktuellen Bedingungen – Mehrkosten bei Mindereinnahmen – finanzierbar bleibt. Dieses Vorgehen erachten wir als eine grob fahrlässige Verletzung der Sorgfaltspflicht.

Der Stadtrat wird von Bürgermeisterin und Verwaltung für deren Versäumnisse in die Verantwortung genommen und genötigt grob fahrlässig Beschlüsse zu fassen, offenbar ohne dies zu realisieren und die Tragweite dessen zu überschauen.

Nachtrag:
Bürgermeisterin Frau Lüke erklärte, dass es in der Verwaltung niemanden gäbe, der in der Lage sei, das Vorhaben zu beherrschen. Auf unseren Hinweis hat der Stadtrat in der November-Sitzung (12.11.2020, TOP 11) daher beschlossen, einen Bauüberwacher mit der Projektsteuerung zu beauftragen, um mit vergleichbar geringen Mehrkosten sicherzustellen, dass Vorhaben und Kosten insgesamt nicht „aus dem Ruder laufen“, sondern das Budget eingehalten wird und bei Unvorhergesehenem unverzüglich fachmännisch reagiert werden kann.

Antwort der Bürgermeisterin vom 20.10.2020:

Sehr geehrter Herr Dr. Hannawald, sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,

ich möchte an meinen Vortrag in der Stadtratssitzung erinnern.

Es wird keine Förderbescheide für das gesamte Vorhaben in der Ihnen vertrauten Form geben, das habe ich deutlich gemacht. Die Aufstockung auf  90% durch Eigenkapitalstützung ist bewilligt (nur für diese gibt es überhaupt einen Förderbescheid, alle anderen eingebundenen Förderungen werden nicht vergleichbar bewilligt), ich habe den Bescheid beigefügt. Daraus kann inzident abgeleitet werden, dass die anderen Förderungen existieren, denn eine Aufstockung von Eigenmitteln auf eine nicht existente Förderung gibt es nachvollziehbarer Weise nicht. Zudem gibt es die Absichtserklärung des SMI, die in Verbindung mit den weiteren Schreiben Grundlage der Förderung ist. Auf die Fördermittelkonstruktion an Hand von Jahresscheiben hatte ich in meinem Vortrag hingewiesen. Die Scheibe für 2019 war angesichts des Eingangsdatums des Bescheides schon von Seiten des SMF für 2020 vorgesehen. Da die Stützung des Eigenanteils anteilig der Normalförderung folgt, ist es zwingend erforderlich, dass wir die jeweiligen Jahresscheiben übertragen lassen. Das erfolgt nicht automatisch, sondern muss explizit begründet und nachvollziehbar gemacht werden.

Das Verfahren mag Sie nicht befriedigen im Ablauf, es ist aber das einzige, das wir haben. Sollten die endgültigen Förderbescheide zu Beginn oder jetzt vorliegen sollen, so müssen wir die Förderung aus dem SOP zurückgeben. Das System der Fortsetzungsanträge ist programmimmanent. Ich habe Ihnen in der Anlage den Ausgangsbescheid aus 2014 angehängt, am Ende des Scans finden Sie die Aufteilung der Mittel aus dem Förderantrag, die mit der Bewilligung festgeschrieben wurde. Daraus ist ersichtlich, dass die Rathaussanierung (bezeichnet als „Verwaltungsgebäude“) mit förderfähigen Gesamtausgaben von 1.020.000 Euro geschätzt wurde (Schätzung der Verwaltung, es liegt dazu keine externe Zuarbeit vor). Zwei Drittel dieser Summe, also 680.000 Euro, stehen zum Start des Programmes für die Sanierung des Rathauses als Förderung zur Verfügung. Zu verausgaben bis Ende diese Jahres (2020).  U.a. mit dem beschriebenen Verfahren der Fortsetzungsanträge sind wir nunmehr in andere Förderhöhen und –zeiträume vorgedrungen – und zwar mit exakt dem Vorgehen, das Sie, Herr Dr. Hannawald, nunmehr ablehnen.

Ich kann es Ihnen, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, nicht ersparen, sich auf dieses Förderkonstrukt einzulassen. Die SAB hat in dem am vergangenen Mittwoch stattgefundenen Termin auf Nachfrage nochmals eindeutig bestätigt, dass es außer der Absichtserklärung, dem Fördermittelbescheid  zur Eigenkapitalstützung und dem Erläuterungsschreiben nichts anderes geben wird. Zur Erläuterung füge ich das Schreiben der SAB an, in dem die Konstruktion zusammengefasst wird.

Sofern wir dieses Konstrukt als Basis der Finanzierung nicht annehmen wollen, so fallen wir auf die SOP-Ausgangsfinanzierung zurück. Durch die Rechts- und Kommunalaufsicht, die angesichts ihrer Sachkenntnis von Förderverfahren und Haushaltsrecht die Förderung in der heutigen Form als gesichert anerkennt, müsste bei Nichtabnahme der Förderung neuerlich die dann neue Gesamtfinanzierung der Rathaussanierung beurteilen. Die Eigenkapitalstützung, die auf die Förderung aufsetzt, entfiele natürlich.

Fakt ist, dass das Rathaus nicht den Brandschutzanforderungen entsprach, eine marode Elektroanlage hatte und nicht barrierefrei war. Dies festzustellen war jedermann möglich. Die Verwaltung musste daher zwingend ausziehen. In der letzten Legislaturperiode wurde beschlossen, die Sanierung durchzuführen auf Basis einer der Varianten der Machbarkeitsstudie. Ein Neubau auf der grünen Wiese wurde diskutiert, aber verworfen.  Die jetzige Finanzierungsstruktur ist aus meiner Sicht alternativlos. Sie mag Ihnen nicht gefallen und nicht die von Ihnen gewünschte nur durch klassische Förderbescheide bewiesene Sicherheit bieten. Als Stadt Pulsnitz können wir die Fördersystematik aber nicht ändern. Wenn wir sie nicht mögen, müssen wir sie ablehnen. Ich bitte dann aber um Alternativvorschläge, die aus Ihrem Kreis kommen müssten. Die Stadtverwaltung sieht keine Alternative.

Für ein Innehalten längerer Dauer haben wir angesichts der Jahresscheibenthematik keine Zeit mehr. Es droht der Verlust eines Teils der Förderung.

Wir haben darüber hinaus die Anregung aus dem Ältestenrat aufgegriffen und stehen nach Vorauswahl mit einem anerkannten Projektsteurer in Kontakt. Die Erfahrungen der ersten drei Vergaben im Stadtrat sollen für das nun zur Ausschreibung anstehende Bauhauptlos nicht wiederholt werden. Die Planer, nach europäischer Ausschreibung vergeben und beauftragt, benötigen eine intensive Begleitung und überdurchschnittliche Überwachung.  Derzeit steht kein Bausachbearbeiter zu Verfügung, nachdem Herr Soppa mit einem Bruch der Kniescheibe bei einem Arbeitsunfall ausgefallen ist. Eine Vielzahl weiterer Bauprojekte in der Verwaltungsgemeinschaft in Verbindung mit der Diskussion um die Verwaltungsumlage beanspruchen zudem nunmehr erhebliche Zeit. Wir werden Ihnen in der kommenden Stadtratssitzung dazu einen Vorschlag unterbreiten, eine Angebotserstellung erfolgt derzeit und soll bis zur kommenden Sitzung vorliegen.

Mit freundlichen Grüßen
Barbara Lüke
Bürgermeisterin