Auf der Tagesordnung der 39. SR-Sitzung am 15.09.2022 standen (Link):
- TOP 6: Information zur Baumaßnahme „Modernisierung historisches Rathaus Pulsnitz“
- TOP 7: Vergabe „Möblierung“
- TOP 8: Beratung und Beschlussfassung zum 2. Nachtrag „Außenputz“
- TOP 9: Beratung und Beschlussfassung 1. Nachtrag „Trockenbau, Brandschutz“.
Die Information zur Baumaßnahme „Modernisierung historisches Rathaus Pulsnitz“ (TOP 6) ist seit dem Beschluss vom 15.Juli 2021 über unseren Antrag vom 08.Juni 2021 Bestandteil jeder Stadtratssitzung. Bauüberwacher und Verwaltung informieren über den aktuellen Stand von Bauarbeiten, Terminsituation und Kostenentwicklung.
U.E. sollte der Stadtrat zuerst Klarheit über Mehrkosten und Nachträge aus bereits bestehenden Verträgen haben, ehe er über die Vergabe weiterer Leistungen entscheidet. Wir haben daher beantragt, die Reihenfolge der TOP zu ändern und zuerst die Nachträge und anschließend die Vergabe der Möbel zu behandeln. Dem Antrag zur Tagesordnung ist der Stadtrat mehrheitlich gefolgt.
Die Nachträge resultieren aus Kostensteigerungen wegen Mehrleistungen und Preiserhöhungen und waren u.E. zum Teil vermeidbar. Denn bereits in der SR-Sitzung am 10.06.2021 (!) hatte Dr. Hannawald zur Eingrenzung des Preissteigerungsrisikos auf die Aufnahme einer Preisgleitklausel in die Verträge und zur Vermeidung von Vertragsstrafen auf die erforderliche Anpassung der bereits damals nicht mehr aktuellen Terminpläne hingewiesen. Das ist grundlegendes Handwerkszeug. Der Bauüberwacher hatte damals mitgeteilt, dass dies bei Vertragsabschluss aufgenommen und angepasst würde. Offenbar erfolgte weder das eine noch das andere. Man habe ja nicht wissen können…
Der Beschluss zum Trockenbau (TOP 9) entfiel, da die angezeigten Mehrkosten von ca. 40.000 Euro zwar angezeigt, bisher noch nicht nachprüfbar eingereicht wurden.
Um für Unwägbarkeiten infolge Corona, Ukraine-Krieg und Russland-Sanktionen gewappnet zu sein, war auf Empfehlung von Dr. Hannawald im Rahmen der Haushaltsplanung im April 2022 mit Bürgermeisterin, Bauamtsleiter, Projektsteuerer und sachkundigen Mitgliedern des Technischen Ausschusses der bisherige Kostenansatz überprüft und eine Bewertung aller Gewerke vorgenommen worden. Im Ergebnis wurde eine Reserve/Rückstellung von insgesamt 584.00 Euro für Mehrkosten aus Preissteigerungen und Bauzeitverlängerung in den Haushalt aufgenommen, so dass das mit dem Haushalt genehmigte Gesamtbudget für die Rathaussanierung nun nicht mehr 5.093 Mio. Euro, sondern 5,677 Mio. Euro beträgt.
In den Reserven/Rückstellungen von 584.000 Euro sind 177.000 Euro enthalten, um die der Haushaltsansatz aus 2021 von 5,093 Mio. Euro bereits überschritten war und 150.000 Euro bereits bekannte Mehrleistungen im Rohbau. Die restlichen 257.000 Euro ergaben sich aus der Bildung vorsorglicher Reserven für Kostensteigerungen aller weiteren Gewerke sowie der bereits bekannten Bauzeitverlängerung.
Wozu Rückstellungen für Kostenerhöhungen bilden und den Aufwand mit der Kostenverfolgung betreiben?!
Die Stadt als Bauherr und die beauftragten Planer sind zur kontinuierlichen Kostenverfolgung über die gesamte Planung und Ausführung verpflichtet. Zentrales Anliegen der Kostenverfolgung sind die Einhaltung der geplanten Baukosten und mehr Kostentransparenz. Dr. Hannawald hatte 2020 als Arbeitsmittel die Kostenverfolgungstabelle entworfen und der Verwaltung zur Verfügung gestellt. Die Tabelle ist kontinuierlich fortzuschreiben. Damit ist zu erkennen, ob das im Haushaltsplan genehmigte Budget eingehalten wird. Es gewährleistet die rechtzeitige Handlungsfähigkeit der Stadt und vermeidet, dass wir im Nachgang „überrascht“ erkennen müssen, dass das Geld nicht reicht. Bei sich abzeichnender Überschreitung ist zu prüfen, ob Maßnahmen zur Kostenreduzierung eingeleitet werden können, z.B. der Entfall oder die Vereinfachung von Leistungen oder ob zusätzlich Gelder im Haushalt bereitzustellen sind. Auch alle „Schwierigkeiten“ infolge Corona, Ukraine-Krieg und Russland-Sanktionen lassen sich so meistern.
Außerdem können sich so auch die Stadträte (als Laien) regelmäßig einen Überblick verschaffen und die direkten Auswirkungen von Vergabe-Beschlüssen erkennen – vorausgesetzt, die Tabelle wird kontinuierlich fortgeschrieben.
Bereits in der Juli-Sitzung hatte sich ein Kostenüberhang von ca. 134.000 Euro über dem genehmigten Budget von 5,667 Mio. Euro abgezeichnet (Link). Unser Vorschlag, die an diesem Tage zu treffenden Vergabebeschlüsse unter den Vorbehalt des Nachweises der Kostendeckung zu stellen, wurde damals zurückgewiesen.
Bürgermeisterin, Bauamt und Baubetreuung wurden beauftragt, die Rückstellungen zu überprüfen, die Kostenverfolgungstabelle zu aktualisieren und auf den Ist-Stand anzupassen (welche Risiken haben sich bereits kostenwirksam realisiert; welche entfallen, weil nicht eigetreten, welche kommen ggfs. zusätzlich hinzu) sowie für überplanmäßige Kostensteigerungen Deckungsquellen zu benennen.
Dem wurde allerdings nicht nachgekommen; die Tabelle wurde zwar aktualisiert, jedoch wurden alle Reserven/ Rückstellungen einfach aus der Prognose herausgerechnet und als kostenunwirksam ausgewiesen – auch die bereits bekannten Mehrkosten. Die so frisierte Übersicht suggerierte nun, dass es weder Mehrkosten noch Nachträge gibt und die zum Beschluss vorgelegten Vergaben und Nachträge im Rahmen des genehmigten Budgets liegen.
Außerdem wurden bereits seit 28.08.2022 in der Verwaltung vorliegende Unterlagen, wie unsere Nachfrage ergab, sowohl dem Technischen Ausschuss und zum Zeitpunkt der Einladung auch dem Stadtrat vorenthalten und erst zwei Tage vor der Sitzung zur Verfügung gestellt. Im Anschreiben zur Einladung wurde suggeriert, dass es sich um Eilentscheidungen handele. Die Beratung im Technischen Ausschuss erfolgte daher überhaupt nicht und jene im Ältestenrat auf Grundlage falscher Zahlen und Sachinformationen.
All das hinterließ den Eindruck, der Stadtrat soll mit frisierten Unterlagen und unter künstlichem Zeitdruck in die anstehenden Beschlüsse hinein manipuliert werden.
In der Sitzung erklärte Herr Kühne: Innerhalb des Budgets bestünden noch Sparmöglichkeiten bei Außenanlagen und Parkplatz. Wird mehr Geld gebraucht, werden andere Baumaßnahmen verschoben. Es ist seit Jahren geübte Praxis, wenn das Geld nicht reicht, suchen wir im Nachhinein nach „Lücken“. Das ist u.E. abenteuerlich und verstößt gegen Haushaltsrecht. Die Genehmigung überplanmäßiger Aufwendungen/ Ausgaben durch den Stadtrat bedarf der Benennung von Deckungsquellen.
Frau Lüke erklärte entsprechend, wenn das Budget nicht reicht, ist es Verwaltungsaufgabe eine Deckungsquelle zu finden… Exakt! Unsere Rede! Genau nach dieser Deckungsquelle fragen wir allerdings seit Juli 2022 vergeblich und genau das hatte Frau Lüke bereits in der Juli-Sitzung zugesichert. Genau das war Auftrag und genau das wurde nicht umgesetzt.
Dr. Hannawald verdeutlichte in der Sitzung am Bsp. der bereits bekannten Mehrkosten von 40 TEuro für den Trockenbau, dass es falsch ist, bereits bekannte Mehrkosten als kostenunwirksam darzustellen. Neben dem Trockenbau stehen Mehrkosten wegen Bauzeitüberschreitung für die Baustelleneinrichtung mit ca. 17 T€ und den Bauüberwacher mit ca. 29,5 T€ in Rede. Weiterhin haben die Gewerke Elektro und Heizung/Lüftung/Sanitär dem Grunde nach Mehrkosten für Preiserhöhungen angezeigt. Auch ist bekannt, dass die Stadt aufgrund des Erlasses des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung vom 25.03.2022 (Auswirkungen Ukraine-Krieg) angewiesen ist, zu laufenden Verträgen Anpassungen vorzunehmen.
Je länger man darüber diskutierte, wurde für Dr. Hannawald die Absicht deutlich, den Stadtrat nicht sachgerecht zu informieren!
Wie ist nun der Stand: Die Kostenprognose laut Tabelle beträgt aktuell 5,627 Mio. Euro; die als kostenunwirksam ausgewiesenen jedoch bestehenden Risiken/Mehrkosten betragen 326 T€, davon bereits bekannt: 86,5 TEuro. Da eine Angleichung der Tabelle an den Ist-Stand verwaltungsseitig nicht erfolgte, ist nicht beurteilbar, ob sich alle Risiken/Mehrkosten realisieren, ob evtl. weniger oder u.U. noch mehr Kosten zu erwarten sind. Bei den aktuellen Beschlüssen sind daher u.E. richtigerweise 5,627 Mio. Euro + 326 TEuro = 5.949 Mio. Euro anzusetzen. Zum Haushalts-Budget von 5,677 Mio. Euro. ergibt das eine Differenz = überplanmäßige Aufwendungen/Ausgaben von 272 T€, wofür Deckungsquellen zu benennen sind.
Herr Kühne räumte ein: Wenn der einzige Dissens ist, wie wir mit den Risiken umgehen, dann besprechen wir das im nächsten Technischen Ausschuss und wenn dann mehr Budget gebraucht wird, würde er Kämmerin Frau Hinz auffordern, Budget frei zu machen.
Herr Schultze erklärte dazu und gab gleichlautend später zu Protokoll: Wenngleich wir die Auffassung teilen, dass die Fertigstellung der Maßnahme zu gewährleisten ist, kommen wir nicht umhin zu erkennen, dass die beiden anstehenden Beschlüsse angesichts der unklaren Deckung faktisch im Blindflug erfolgen. Um eine Entscheidung treffen zu können, muss auch gesagt werden, woher das Geld kommt. Aus diesem Grund werde die Fraktion heute bei beiden Beschlüssen mit NEIN stimmen.
Alle diese in der Sitzung vorgetragenen Sachverhalte halfen nichts; Frau Lüke beendete die Diskussion mit der Feststellung: Dann haben wir unterschiedliche Auffassungen.
Bei der anschließenden Beratung zu den beiden Beschlussvorlagen wurde auf unsere Veranlassung hin folgende Festlegungen getroffen:
1) Ernsthafte Überprüfung der Kostenprognose und Einhaltung des genehmigten HH-Budgets,
2) Ausschreibung der Außenanlagen wird zurückgestellt bis zur Klärung der voraussichtlichen Gesamtkosten und der Finanzierung des Überhangs.
Resümee:
Einhaltung Haushaltsrecht…?! Erfüllung der Sorgfaltspflicht = Fehlanzeige! Einhaltung Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsprinzip = Fehlanzeige! Die Umsetzung des Stadtrats-Beschlusses zur konsequenten Kostenkontrolle (vgl. Beitrag) = Fehlanzeige!
Im Ältestenrat war die Frage aufgetaucht, was man denn machen solle. Dr. Hannawald hat das u.E. konsequente Vorgehen in der Sitzung dargelegt: Tatsächliche Kostensituation korrekt darstellen; falls das genehmigte Budget nicht ausreicht, die Notwendigkeit/rechtliche Grundlage des Mehrbedarfes prüfen, Deckungsquellen zur Gegenfinanzierung benennen z.B. Kostenreduzierung bei anderen Los(en) und/oder Maßnahmen, Verschiebung von den Maßnahmen, Finanzierung aus Steuermehreinnahmen etc. Damit würde auch den Prioritäten im Haushaltsplan Rechnung getragen, vorrangig das Rathaus fertigzustellen.
U.E. darf der Stadtrat nicht über die frisierten Unterlagen sowie die offenkundig falsche Information des Stadtrates durch die Verwaltung hinwegsehen.
Es ist Aufgabe des Stadtrats als Hauptorgan der Stadt mit Hoheit über den Haushalt, sicherzustellen, dass seine Beschlüsse umgesetzt werden; der Stadtrat hat die Einhaltung des Budgets durch konsequente Kostenkontrolle zu überwachen (Beschlusskontrolle).
Aufgabe der Verwaltung ist es, die Stadtrats-Beschlüsse umzusetzen. Wenn die Verwaltung von sich aus dazu nicht bereit ist, dann ist der Stadtrat u.E. in seinem eigenen Interesse gehalten, seine Zustimmung zu verwehren, die Beschlüsse zurückzuweisen und die fehlenden Informationen nachzufordern. Falls tatsächlich erforderlich, kann die Bürgermeisterin Eilentscheidungen treffen. So wird die Fertigstellung des Vorhabens nicht gefährdet.
Andernfalls verletzt auch der Stadtrat seine Sorgfaltspflicht. Schließlich handelt es sich bei den Beschlüssen nicht um ein Kavaliersdelikt. Sondern letztlich heißt es: Der Stadtrat hat beschlossen…