Bürgerfragen wegen Umbau der Villa Goethestraße zur Arztpraxis
Verärgerte und verwunderte Bürger fragten uns, wieso denn die denkmalgeschützte Villa (Goethestraße 26/28, Erdgeschoss) zur Arztpraxis umgebaut werden soll (vgl. Pulsnitzer Anzeiger Februar 2023: Kolumne der Bürgermeisterin sowie Bericht über die Stadtratssitzung vom 12.01.2023), wo doch in der Robert-Koch-Straße über der Apotheke eine Arztpraxis leer steht. In beiden Beiträgen berichtet Bürgermeisterin Lüke überschwänglich, dass sich ab September dieses Jahres ein neuer Hausarzt in Pulsnitz niederlässt und der Stadtrat die Gelder für den Umbau der denkmalgeschützten Villa freigegeben habe.
Das entspricht allerdings nicht den Tatsachen. Der Stadtrat hat keine Gelder für den Umbau der Villa freigegeben, sondern entsprechend dem Vorschlag der Verwaltung lediglich einen Grundsatzbeschluss gefasst, erweitert um den Passus: „Die Bürgermeisterin wird beauftragt, den Interessenten auf die leerstehende Arztpraxis und Räumlichkeiten in der Robert-Koch-Straße hinzuweisen.“ Diesen Teil des Stadtratsbeschlusses verheimlicht Bürgermeisterin Lüke geflissentlich!
Gespräche hinter den Kulissen – Stadtrat und AG Vereinshaus vor vollendete Tatsachen gesetzt: In der Kolumne offenbart Bürgermeisterin Lüke, dass schon seit einigen Monaten hinter den Kulissen, d.h. am Stadtrat und an der AG Vereinshaus vorbei, Gespräche stattfanden, das Erdgeschoss der Villa als Arztpraxis umzubauen. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, da der Stadtrat im Mai 2022 einen Beschluss zur Nutzung des Gebäudekomplexes als Vereinshaus gefasst hat – so wie es von Bürgermeisterin Lüke den Vereinen zugesagt war. Die Bürgermeisterin hat also hinter den Kulissen sowohl aktiv ihre eigene Zusage als auch den Stadtratsbeschluss boykottiert.
Der Stadtrat wurde im Dezember 2022 in nichtöffentlicher Sitzung vor vollendete Tatsachen gesetzt. Dabei wurde der Vorwand von Datenschutz (die Beschlussvorlage war anonymisiert) offenbar gezielt genutzt, den Sachverhalt von öffentlichem Belang nichtöffentlich zu beraten und beschließen, um Stadtrat und AG Vereinshaus gezielt gegeneinander auszuspielen (vgl. hier und hier).
Freigabe von Geldern wegen fehlender Finanzierungsquelle nicht erfolgt: Da die Maßnahme nicht im Doppelhaushalt 2022/2023 vorgesehen ist, stehen hierfür keine Gelder bereit. Eine Freigabe von Geldern erfordert daher die Benennung einer Finanzierungsquelle. Hierzu hat die Verwaltung explizit ausgeführt, dass eine Finanzierungsquelle erst benannt werden kann, wenn die Umbaukosten bekannt sind; diese fehlen noch. Die Maßnahme selbst erfordert außerdem einen Baubeschluss sowie die Genehmigung von Nutzungsänderung und Umbau durch den Denkmalschutz. Den Denkmalschutz will die Verwaltung jedoch umgehen, wie sie im Technischen Abschuss auf Nachfrage wissen ließ. Dafür soll offenbar der Stadtrat die Verantwortung übernehmen.
Praxisräume Robert-Koch-Straße 3 – Telefonat mit Makler: Bürgermeisterin Lüke beklagt in beiden Artikeln den Mangel an Praxisräumen und stellt ihre Unterstützung bei der vergeblichen Suche heraus. Doch nach Praxisräumen wurde offenbar gar nicht gesucht. Eine kurze Internetrecherche ergab, dass behindertengerechte Praxisräume in der Robert-Koch-Straße 3 seit über einem Jahr leer stehen (siehe Angebot) und ein Telefonat mit dem Makler ergab, dass Miet-Anfragen zur Arztpraxis nicht erfolgten. Ein sofortiger Bezug sei nach Herrichtung möglich. Nahezu jeder Pulsnitzer weiß außerdem: Im Objekt befinden sich Apotheke, Physio- und Ergotherapie, Aufzug und Parkplatz sowie vor dem Haus eine Bushaltestelle. Die Voraussetzungen für die Wieder-Ansiedlung einer Arztpraxis sind also optimal. Es entstehen keine Zusatzkosten für die Stadt und keine Abhängigkeit vom rechtzeitigen Freizug der Villa durch die Verwaltung, die wegen der fortdauernden Rathaussanierung aktuell dort beherbergt ist. Der Mietpreis beträgt nur die Hälfte jener Miete, die die Bürgermeisterin für die umgebaute Villa vereinnahmen will. Sollten die Praxisräume zu klein sein, kann eine ebenfalls freistehende behindertengerechte Wohneinheit unkompliziert als Praxis hergerichtet werden.
Stadtrat beauftragt Bürgermeisterin, den Arzt auf die Praxisräume in der Robert-Koch-Straße hinzuweisen: Über das Ergebnis der kurzen Recherche hatte Dr. Hannawald in der nichtöffentlichen Sitzung am 08.12.2022 informiert. Der Stadtrat hat daraufhin den Grundsatzbeschluss um folgenden Passus erweitert: „Die Bürgermeisterin wird beauftragt, den Interessenten auf die leerstehende Arztpraxis und Räumlichkeiten in der Robert-Koch-Straße hinzuweisen.“
Fazit: Die Bürgermeisterin boykottiert aktiv ihre eigene Zusage gegenüber den Vereinen sowie den Stadtratsbeschluss vom Mai 2022, spielt Stadtrat und AG Vereinshaus gegeneinander aus, ignoriert und verheimlicht der Öffentlichkeit einen wesentlichen Beschlussteil vom Dezember 2022 – auf Kosten des Arztes und künftiger Patienten. All das erachten wir als unverantwortlich!
Als Fraktion bevorzugen wir die „Wiederbelebung“ der Robert-Koch-Straße 3. Die Gegebenheiten sind optimal und die zahlreichen Vorteile für Arzt und Patienten liegen auf der Hand. Außerdem ist die Stadtverwaltung keine Immobilien-Entwicklungsgesellschaft. Die Herrichtung einer Arztpraxis gehört nicht zu ihren Aufgaben. Sofern die Verwaltung überzählige Gelder aufspürt, sollten diese u.E. z.B. für die seit drei Jahren angedachte Sanierung der Grundschule eingesetzt werden!
PS: Aktuell praktizieren in Pulsnitz drei Hausärzte sowie drei in Oberlichtenau, d.h. 6 Hausärzte für ca. 7.300 Einwohner. Den Bedarf für einen weiteren Hausarzt können wir mangels Informationen und Bewertungskriterien nicht beurteilen. Ob und was hier evtl. ebenfalls „hinter den Kulissen“ stattgefunden hat, entzieht sich unserer Kenntnis.
PPS: Bleibt die Frage, wann Bürgermeisterin Lüke die Öffentlichkeit über den unterschlagenen Beschlussteil informieren will und wann den Arzt, ggfs. auch die Baufirmen, die u.U. bereits den Umbau der Villa planen und vorbereiten…
PPPS: Völlig im Dunkeln liegt die Motivation der Bürgermeisterin, Stadtrat und Vereine, den künftigen Haus-Arzt und die involvierten Baufirmen sowie die gesamte Öffentlichkeit an der Nase herum zu führen.