44. SR-Sitzung, 09.02.2023, TOP 5: Ergebnis Akteneinsicht Rathaussanierung – Stadtrat falsch informiert – Bauherrenaufgabe nicht sachgerecht wahrgenommen

In der SR-Sitzung am 09.02.2023 informierte Dr. Hannawald unter TOP 5: Information zur Baumaßnahme: „Modernisierung des historischen Rathauses Pulsnitz“ über das Ergebnis der Akteneinsicht (vgl. Beitrag). Diese sollte der Aufklärung des Durcheinanders, der widersprüchlichen, unvollständigen und größtenteils nicht nachvollziehbaren Informationen von Bürgermeisterin, Bauamtsleiter, Planer und Projektsteuerer in den vorangegangenen Sitzungen dienen (vgl. Link). Insbesondere beim Rohbau war es zu bedenklichen und unüblich hohen Kostenüberschreitungen von ca. 375 TEuro (ca. 100%) gekommen (noch keine Schlussrechnung!), die durch das vom Stadtrat genehmigte Einzelbudget nicht gedeckt sind (vgl. Beitrag).

Die Akteneinsicht betraf die Verträge mit Planungsbüro und Projektsteuerer, die Protokolle der Baubesprechungen sowie den Vertrag zum Los 4 – Rohbau einschließlich der Abrechnungen mit zugehörigem Schriftverkehr und Bautagesberichten.

Es wird vorausgesetzt, dass Fachplaner, Projektsteuerer und Verwaltung das Vorhaben mit Fachwissen und Fachkompetenz abwickeln und die aufgeführten Ungereimtheiten rechtzeitig erkennen und rechtzeitig Gegenmaßahmen ergreifen können. Bei den nachfolgenden Feststellungen handelt es sich nicht um „Pfennigfuchserei“ oder „Haarspalterei“, sondern elementares „Handwerkszeug“ und grundlegende Fehler zu Lasten der Stadt.

Zusammengefasst ist festzustellen:
Es bestätigte sich der Eindruck, dass dem Stadtrat wesentliche Informationen bei Beschlüssen vorenthalten wurden und er trotz Nachfrage nicht zeitnah, sondern erst sechs bzw. knapp acht Wochen zu spät über bereits bekannte Kostenerhöhungen informiert wurde. Die Informationen wurden offenbar gezielt zurückgehalten, um in den dazwischen liegenden Sitzungen ohne Benennung von Finanzierungsquellen für die Mehrkosten weitere Vergabebeschlüsse und scheinheilig eine angeblich überhaupt nicht notwendige Blanko-Budgeterhöhung (vgl. Beitrag und Beitrag) durch den Stadtrat zu bringen. Es wurden keine Gegenmaßnahmen zur Begrenzung der Kostenerhöhung ergriffen. Das Zustandekommen des Vertrages mit dem Rohbauer ist fragwürdig wegen unvollständiger Unterlagen zum Angebot. Es wurden bereits 600 TEuro zur Auszahlung angewiesen, obwohl nur 350 TEuro Einzel-Budget vom Stadtrat genehmigt sind.

Fazit:
Insgesamt sehen wir die Bauherrenaufgaben durch die Verwaltung nicht sachgerecht wahrgenommen und angeblich „geschenktes“ Steuergelder der Bürger unverantwortlich verausgabt. Wir sehen darin eine Verletzung der Sorgfaltsplicht sowie des Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgrundsatzes. Die zwischenzeitlichen Vergabebeschlüsse erfolgten auf Grundlage falscher bzw. zurückgehaltener Informationen und sind u.E. unwirksam. Die Fraktion ist nicht bereit, diese unsachgerechte Arbeitsweise zu unterstützen oder gar die Verantwortung dafür zu übernehmen!

Abschließend brachte Herr Schultze in einer Protokollerklärung für die Fraktion zum Ausdruck, dass für das Gremium keine Arbeitsgrundlage besteht und es eine reine Farce darstellt, auf Basis falscher bzw. vorenthaltener Informationen Beschlüsse zu fassen! Es handelt sich um einen grundlegenden Vertrauensbruch; er brachte das Misstrauen der Fraktion zum Ausdruck!

Die Akteneinsicht ergab im Einzelnen folgendes:

  1. Der Stadtrat wurde nach dem Bekanntwerden der Mehrkosten nicht zeitnah informiert. Die 1. Mehrkosten vom 21.02.2022 in Höhe von 175 TEuro wurden dem Stadtrat erst am 07. April 2022 (TA am 29.03.2022) mitgeteilt, d.h. fünf bzw. sechs Wochen nachdem die Verwaltung schriftlich Kenntnis davon hatte. Die 2. Mehrkosten in Höhe von 200 TEuro vom 20.09.2022 über ein Aufmaß vom 12.09.2022 wurden dem Stadtrat erst am 10. November 2022 mitgeteilt, d.h. knapp acht Wochen nachdem die Verwaltung schriftlich Kenntnis davon hatte. Wie lange die Kostenerhöhungen darüber hinaus vorher schon im Gespräch waren, bevor sie schriftlich angezeigt wurden, war aus der Akte nicht ersichtlich. In der Zwischenzeit wurden mehrere Vergabe-Beschlüsse und eine Blanko-Budgeterhöhung durch den Stadtrat gebracht, die u. E. unwirksam sind.
  2. Die 1. Mehrkosten wurden durch den Rohbauer als Nachtrag geltend gemacht. Der vom Planer geprüfte und zur Bestellung durch den Bauherrn vorbereitete Nachtrag wurde nicht – wie üblich – verhandelt. Er enthält den Aktenvermerk des Projektsteuerers: „…kein Nachtrag, sondern Abrechnung über Mehrmengen …“. Das ist nicht sachgerecht und nicht Interesse der Stadt. Kein Wunder, dass die zweiten, ebenfalls aus Mehrmengen resultierenden Mehrkosten nicht mehr separat angezeigt wurden und dann „überraschend“ im Rathaus eintrafen.
  3. Ein am 08.07.2022 eingereichter weiterer Nachtrag in Höhe von 33 TEuro ist seit 7 Monaten ungeklärt offen; die Plausibilitätsprüfung des Planers liegt seit 3,5 Monaten der Verwaltung zur Entscheidung in den Akten vor.
  4. Es sind keine Maßnahmen von Planer, Projektsteuer und Bauherren (Stadtverwaltung) ersichtlich, der Mehrkostenentwicklung z.B. durch Preisverhandlungen entgegenzuwirken. Das diese nicht erfolgte, ist als Versäumnis zu bewerten.
  5. Die vorliegende Abrechnung (noch keine Schlussabrechnung) des Nachunternehmers „Rohbau“ lässt folgendes erkennen: 10% der Leistungs-Positionen überschreiten die Ausschreibungsmenge um mehr als das 10-fache (1.000%!); der Spitzenreiter liegt beim 54-fachen! Bei 70% der Positionen wird die Leistungs-Menge um mehr als 10% überschritten. Nur 10% der Positionen liegen derzeit innerhalb der nach VOB zulässigen Schwankungsbreite von bis zu 10% der Ausschreibungsmengen. Das betrifft wertmäßig gerade einmal ca. 15 TEuro bei einem Leistungsstand von 635 TEuro und verdeutlicht einerseits die ungenügende Qualität der Ausschreibung und andererseits die Notwendigkeit einer Preisnachverhandlung. Das diese nicht erfolgte, ist als Versäumnis zu bewerten.
  6. Bei der Vergabe des Rohbau-Loses wurde das Vergaberecht nicht eingehalten. Der Nachunternehmer hat wesentliche Angaben zum Angebot nicht sachgerecht erbracht – das ist gewöhnlich ein Ausschlussgrund für einen Vertragsabschluss.
  7. Die Verträge mit Planer und Projektsteuerer beantworten die bisher offene Frage nach dem Weisungsrecht gegenüber Nachunternehmern eindeutig: Es liegt ausschließlich beim Bauherrn – der Stadt; ebenso werden Projektleitung und Fördermittel-Management zum Gesamtvorhaben von der Stadtverwaltung selbst wahrgenommen.
  8. Aus den Protokollen geht eindeutig hervor, dass ausschließlich durch den Bauherrn – i.d.R. vertreten durch den Bauamtsleiter – Anordnungen zu Leistungsänderungen erfolgten: „der Bauherr weist an…“ Die Bauherrenfunktion wird u.E. von der Verwaltung nicht sachgerecht wahrgenommen.
  9. Durch die Verwaltung wurden bereits 600.000 Euro zur Auszahlung angewiesen, obwohl der Stadtrat (entsprechend Beschluss-Vorlage der Verwaltung) lediglich ca. 380.000 Euro Einzel-Budget für den Rohbau genehmigt hat.