Vorbemerkung:
In der Stadtrats-Sitzung am 08.12.2023 hatten Bürgermeisterin und Verwaltung von sich aus bestätigt, dass zwei der drei Einwendungen zum Protokoll der Sitzung vom 15.09.2022 zweifelsfrei zutreffen. Als Unterzeichner wurde Dr. Hannawald festgelegt. Die Unterzeichnung wurde lediglich aufgrund von zwei Anträgen aus dem Stadtrat zurückgestellt.
Allerdings wurde das Protokoll in der Zwischenzeit durch die Verwaltung nicht um die bestätigten Einwendungen berichtigt und auch der Vermerk von Dr. Hannawald nicht dem Protokoll beigefügt, wie es Gemeindeordnung und Geschäftsordnung des Stadtrates vorsehen.
Stattdessen wurde in der Stadtrats-Sitzung am 12.01.2023 in Abwesenheit von Dr. Hannawald einfach ein anderer Unterzeichner festgelegt und der Stadtrat hat nun zwar knapp, jedoch mehrheitlich eine Berichtigung des Protokolls per Beschluss abgelehnt, obwohl die wörtliche Mitschrift vom Band vorlag und verlesen wurde. Das Ergebnis ist ein wissentlich rechtswidriges Protokoll mit falschem Inhalt. Das ist bemerkenswert. Es offenbart, wie sich alle Beteiligten gegenseitig vorführen und wie sich die Mehrheit der Räte für die „Spielchen“ von Bürgermeisterin und Verwaltung missbrauchen lässt.
Mit diesem Sachverhalt erreicht die „Protokollaffäre“ aktuell ihren Höhepunkt. Daher erging am 02.02.2023 nachfolgende Dienstaufsichtsbeschwerde.
Im Ergebnis wurde die unkorrekte, manipulative Vorgehensweise der Bürgermeisterin beim Protokollieren der Sitzungen unterbunden eine sachgerechte Verfahrensweise und inhaltlich saubere Protokollierung erreicht.
Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Bürgermeisterin Barbara Lüke wegen nicht der Sächsischen Gemeindeordnung entsprechenden Protokollierung von Gremiensitzungen, Fertigung inhaltlich falscher Protokolle, willkürlicher Änderung des bereits festgelegten Unterzeichners sowie Zurückhaltung der Protokolle z.T. über Monate
Sehr geehrter Herr Landrat,
hiermit ergeht Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Bürgermeisterin der Stadt Pulsnitz, Barbara Lüke, wegen:
1. nicht der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO) entsprechenden Protokollierung von Gremiensitzungen,
2.Zurückhaltung der Protokolle z.T. über Monate,
3. inhaltlich verfälschter und, d.h. rechtswidriger Protokolle sowie
4. willkürlicher Änderung des bereits festgelegten Unterzeichners des Protokolls der Sitzung des Stadtrates vom 15.09.2022
Es wird Ihr rechtsaufsichtliches Einschreiten sowie Rückinformation bezüglich der eingeleiteten Maßnahmen erbeten.
Begründung
1. Zur sachgerechten Protokollierung:
Die Erstellung, die Beteiligten und deren Aufgaben, der Umgang mit Einwendungen und das Vorgehen bis zur Unterzeichnung eines Protokolls ist in §40 SächsGemo geregelt und in den Kommentaren von Quecke/Schmid ergänzend ausführlich, klar und unmissverständlich erläutert.
Die dort beschriebene Vorgehensweise wird in Pulsnitz trotz unzähliger Hinweise und Anträge aus dem Stadtrat permanent missachtet:
- Häufig wird die Frist zur Vorlage der Protokolle an den Stadtrat spätestens bis zur nächsten Sitzung des Stadtrates (SR) überschritten.
- Protokolle werden bereits vor Protokollkontrolle und Unterzeichnung veröffentlicht.
- Es erfolgt keine Benennung und Einbeziehung der zwei unterzeichnenden Stadträte vor der Befassung im Stadtrat. Einwendungen der Unterzeichner werden ausschließlich in öffentlicher Sitzung im Rahmen der Protokollbestätigung behandelt.
- Unterzeichner werden z.T. erst nach der Behandlung von Hinweisen und Einwendungen festgelegt (z.B. Protokoll der SR-Sitzung vom 14.07.0222 in der SR-Sitzung am 10.11.2022, Protokoll der TA-Sitzung vom 01.02.2022 und 03.05.2022 in der TA Sitzung am 06.09.2022); die Unterzeichnung erfolgt jeweils in der Sitzung.
- Einwendungen und Hinweise formaler Art sowie nachweislich inhaltliche Fehler – auch von Seiten der unterzeichnenden Stadträte – werden nicht eingearbeitet mit der Begründung, es sei mit der Vorlage an den Stadtrat (d.h. vor Unterzeichnung) bereits eine Urkunde, die nicht mehr geändert werden dürfe.
- Beschlossene/bestätigte Einwendungen der als Unterzeichner festgelegten Stadträte werden nicht ergänzt. (z.B. Protokoll der SR-Sitzung vom 15.09.2022)
- Bereits als Unterzeichner festgelegte Stadträte werden willkürlich, z.B. nach dem Vorbringen von Einwendungen geändert (Bps. Protokoll vom 15.09.2022: Unterzeichner festgelegt in Sitzung am 08.12.2022, geändert in Sitzung am 12.01.2023)
- Die Bürgermeisterin verfälscht Niederschriften eigenmächtig und verweigert anschließend die Berichtigung nachweislich falscher Inhalte
- Die Bürgermeisterin erstellt Protokolle selbst (z.B. Protokoll zum Technischen Ausschuss vom 01.02.2022)
2. Beispiele für erhebliche Fristüberschreitungen:
Das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 10.02.2022 (Vorberatung Haushaltsvorentwurf) stand zur Bestätigung auf der Tagesordnung der Sitzung am 07.04.2022, wurde dem Stadtrat (SR) jedoch nicht vorgelegt (und nach der Sitzung wieder von der Tagesordnung entfernt), sondern erst zur Sitzung am 16.06.2022 (nach 4 Monaten) nach dem Haushaltsbeschluss in der Mai-Sitzung. Das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 10.02.2022 wurde bis dahin überhaupt nicht vorgelegt, sondern erst nach schriftlicher Anfrage vom 24.06.2022 zur Sitzung am 14.07.2022 (nach 5 Monaten).
Die Niederschrift der Sitzung vom Technischen Ausschuss (TA) am 28.07.2021 wurde „vergessen“ und zur Sitzung am 05.07.2022 (also nach einem Jahr) vorgelegt. Die Bestätigung der Niederschriften der TA-Sitzungen vom 01.02.2022 (8 Monate) und 03.05.2022 (5 Monate) standen am 04.10.2022 auf der Tagesordnung.
Aktuell fehlen die Protokolle der SR-Sitzungen vom Dezember 2022 und Januar 2023 sowie des TA vom Dezember 2022.
Gemäß SächsGemO (§40, Abs. 2, Satz 2) und Geschäftsordnung des Stadtrates (§28, Abs. 5) ist die Niederschrift „innerhalb eines Monats, in der Regel jedoch spätestens zur nächsten Sitzung dem Gemeinderat zur Kenntnis zu bringen“.
3. Zu den verfälschten Niederschriften und 4. der nachträglichen Änderung des bereits festgelegten Unterzeichners:
Über die Jahre mussten wir immer wieder feststellen, dass Wortmeldungen nicht nur unserer Fraktion wiederholt gestrichen oder willkürlich umgeschrieben wurden. Dabei wurde Inhalt und Sinn der Aussagen z.T. entstellt.
Auf Nachfrage, wie die Niederschriften zustande kommen, erklärte Bürgermeisterin Lüke bereits in der öff. Sitzung am 03.02.2020, das die Protokollantin, die auf Veranlassung der Bürgermeisterin seit Jahren nicht an der Sitzung teilnimmt, vom Band schreibt und sie selbst als Bürgermeisterin die Protokolle anschließend korrigiere.
Neuerdings erstellt die Bürgermeisterin Protokolle selbst (Technischer Ausschuss vom 01.02.2022, vorgelegt am 04.10.2022, Anlage). Auf Nachfrage erklärte sie, das sei zwar unzulässig, jedoch pragmatisch.
Ihren Höhepunkt fand die „Protokollaffäre“ bisher mit der Niederschrift der Sitzung vom 15.09.2022, die am 08.12.2022 zur Bestätigung auf der Tagesordnung stand. Das Protokoll enthielt – korrespondierend mit unserer Dienstaufsichtsbeschwerde vom 25.07.2022 zur Verletzung des Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebotes durch die Bürgermeisterin – eine von der Bürgermeisterin frei erfundene Aussage, die weder erfolgte noch zutraf (Bandmitschnitt wurde von mir nachgehört und dokumentiert und sowohl in der Sitzung am 08.12.2022 als auch am 12.01.2023 verlesen), sondern ganz offensichtlich nachträglich in das Protokoll „hineinkorrigiert“ wurde, um eine Unterstellung der Bürgermeisterin gegenüber der AfD-Fraktion zu belegen (Anlage). Die Einsicht in die unredigierte Fassung der Protokollantin wurde verwehrt.
Für das Protokoll der Sitzung vom 15.09.2022 wurde ich selbst in der Sitzung am 08.12.2022 vor der inhaltlichen Befassung als Unterzeichner festgelegt. Auf meine Frage, durch wen die nichtzutreffende Aussage in die Niederschrift gelangte – Schriftführer oder Bürgermeisterin, gab Bürgermeisterin Lüke keine Antwort unter dem Vorwand, dass dies unerheblich sei.
Grundsätzlich bestätigten Verwaltung und Bürgermeisterin zwei meiner drei Einwendungen, da diese zweifelsfrei zutreffen. Die Bestätigung des Protokolls wurde aufgrund von Anträgen aus dem Stadtrat jedoch zurückgestellt.
Anschließend wurden die bestätigten Einwendungen jedoch nicht ins Protokoll eingearbeitet und auch mein Vermerk als Unterzeichner wurde nicht dem Protokoll beigefügt.
Stattdessen wurde in der Sitzung am 12.01.2023 in meiner Abwesenheit ein anderer Unterzeichner festgelegt, die Niederschrift mit falschem Inhalt an meiner statt zu unterzeichnen. Über meine bereits bestätigten Einwendungen wurde nun abgestimmt und eine Berichtigung des Protokolls durch den Stadtrat mehrheitlich abgelehnt. Das Ergebnis ist ein wissentlich rechtswidriges Protokoll mit falschem Inhalt.
Die Niederschriften beider Sitzungen (08.12.2022 und 12.01.2023) wurden bisher nicht erstellt. Die beigefügte Anfrage vom 06.01.2023 (Anlage) wurde bisher ebenfalls nicht beantwortet.
Das gesamte Vorgehen mutet abenteuerlich an, scheint rechtwidrig und fern ab einer sachgerechten Protokollierung. Es entsteht der Eindruck, dass dies zielgerichtet erfolgt, um die Räte in den öffentlichen Sitzungen zu überrumpeln.
Rechtsaufsichtliches Einschreiten
Daher bitte ich um Ihr rechtsaufsichtliches Einschreiten und Veranlassung einer sach- und fristgerechten sowie inhaltlich sauberen Protokollierung und Protokollbestätigung entsprechend SächsGemO einschließlich Unterbindung der willkürlichen Nachbereitung der Protokolle – Streichungen, Umschreiben, Hinzufügen von falschen Sitzungsinhalten – durch die Bürgermeisterin.
Explizit bitte ich, die Berichtigung desgefälschten Protokolls der Stadtratssitzung vom 15.09.2022 zu veranlassen.
Weiterhin bitte ich um Mitteilung, ab welchem Zeitpunkt das Protokoll eine Urkunde ist und nicht mehr geändert werden darf.
Abschließend bitte ich um Information zu den von Ihnen veranlassten Maßnahmen.
Hochachtungsvoll
Dr. Frank Hannawald
Fraktionsvorsitzender, 02.02.2023
Anlagen
Protokoll der TA-Sitzung vom 01.02.2022, S.1 (Link)
Einwendungen zum Protokoll der Sitzung vom 15.09.2022
Anfrage vom 06.01.2023
Auszug aus dem Zwischenbescheid der Kommunalaufsicht vom 27.02.2023:
„Aufgrund der Urlaubszeit von Bürgermeisterin Frau Lüke verzögert sich ihre Zuarbeit zur Stellungnahme. Aus diesem Grund verzögert sich auch unsere Antwort an Sie.“
Antwort der Rechtsaufsicht vom 31.03.2023: